OI4 Alliance: Wenn Maschinen dieselbe Sprache sprechen

Vor rund drei Jahren schlossen sich führende Unternehmen aus IT, Automatisierung und Maschinenbau zusammen, um der jahrelang beschworenen, aber letztlich nur schleppend umgesetzten Industrie 4.0-Vision hierzulande zum entscheidenden, weil praktikablen Durchbruch zu verhelfen. Was hat es gebracht und wo stehen wir heute?

Ein Kommentar von Hendrik Nieweg

Open Industry Alliance 4.0

Die Mission der Open Industry 4.0 Alliance (OI4), die digitale Transformation zu beschleunigen, beruhte damals wie heute auf der Idee, anwendungsorientierte Rahmenbedingungen für die Betreiber einer Smart Factory zu schaffen, die zunehmend mit einer heterogenen Maschinen- und Systemlandschaft konfrontiert sind. Ziel ist es, eine möglichst einfache (und natürlich sichere) Vernetzung der einzelnen Maschinen in den Produktionshallen mit der Cloud zu ermöglichen. Dafür wiederum soll zwischen den Herstellern von Maschinen, Anlagen und Software ein offenes und interoperables Ökosystem etabliert werden, wofür die Allianz jedoch keine neuen Standards definiert, sondern auf bestehende Regelwerke zurückgreift.

Agile Architektur für den Endkunden

Als technologische Grundlage wurde hierfür eine offene, auf RAMI 4.0 basierte Architektur entwickelt, die auf den vier Bausteinen Device/Edge Connectivity, Edge Computing, Operator Cloud und Cloud Central sowie den dazugehörigen Services fußt. Das Besondere daran: Die Architektur ist agil, leicht zu implementieren und vor allem herstellerunabhängig – allesamt wesentliche Anforderungen seitens der Endkunden. Dass der Ansatz funktioniert, bestätigen erste Verprobungen beispielsweise durch die dänische MADE FAST Initiative bei der Digitalisierung und Automatisierung von Unternehmen wie Danfoss und LEGO. Ein weiteres erfolgreiches Praxisbeispiel ist die produktionsinterne Vernetzung einer Roboterzelle beim Robotik- und Automatisierungsspezialisten KUKA, einem Gründungsmitglied der Allianz.

„Die spürbare Marktresonanz und das Wachstum an Mitgliedern zeigen uns, dass das offene und kollaborative Mindset der OI4 Alliance der richtige Weg zur Entwicklung und Skalierung IIoT-basierter Produkte und Services ist.“
Hendrik Nieweg, VP Cloud Solutions bei Device Insight
Hendrik Nieweg
Mitglied der Geschäftsleitung bei Device Insight

Größter Vorteil der OI4 Alliance ist deren offene und lösungsorientierte Organisationsform. OI4-konforme Produkte und Dienstleistungen werden im eigens geführten Marketplace publik gemacht, Architektur und Umsetzungsempfehlungen in Whitepapers offen kommuniziert. Getreu dem Gedanken eine Umsetzungsallianz zu sein, werden Schnittstellen als offene APIs, die Softwareentwicklern öffentlich zugänglich gemacht wird, realisiert. Auch muss ein Unternehmen nicht zwangsweise Mitglied sein, um OI4-konforme Lösungen anzubieten – wodurch Wettbewerbsschranken fallen und die Umsetzung im Brownfield-Umfeld erleichtert wird.

Innovation durch gemeinsame Entwicklung

Die spürbare Marktresonanz und das Wachstum an Mitgliedern (neben Festo, KUKA, Microsoft, SAP, Siemens, Voith, Weidmüller engagieren sich heute rund 100 Mitglieder innerhalb der OI4) zeigen uns, dass das offene und kollaborative Mindset der OI4 Alliance der richtige Weg zur Entwicklung und Skalierung IIoT-basierter Produkte und Services ist.

Gleichzeitig ist allen Mitwirkenden bewusst, dass der Aufbau eines offenen, interoperablen Ökosystems ein zeitaufwändiges Unterfangen darstellt. Für eine relevante Außenwirkung war zunächst eine kritische Masse an aktiven Mitgliedern nötig, was wir inzwischen erreicht haben. Im nächsten Schritt sollten Partner, die an gemeinsamen, verwandten oder interdependenten Themen arbeiten, innerhalb der OI4 zusammenfinden – ein Prozess, der durch die stete Aufnahme neuer Mitglieder immer wieder neue Impulse erhält. Nun geht es darum, Anwender, Systemintegratoren und Fabrikbetreiber von unserem OI4-Ansatz zu überzeugen. Dieses übergeordnete und kontinuierliche Ziel zieht sich wie ein roter Faden durch die OI4-Arbeit.

OI4 Architecture
Die 4-Schichten-Architektur der OI4 Alliance: Unter Verwendung offener Standardschnittstellen auf Basis der Asset Administration Shell (AAS) gelingt ein automatisches Onboarding von Assets, sprich Maschinen und Anlagen.

Wie heterogen die Bedürfnisse auf Seiten der Kunden und Anwender tatsächlich ausfallen, wenn es um die Vernetzung der Komponenten einer Fertigung geht, ist durch den offenen Austausch innerhalb der OI4 Alliance noch einmal deutlicher geworden – und hat den Ansatz eines offenen Ökosystems fundamental bestätigt. Man stelle sich einen typischen Anwendungsfall für Smart Manufacturing vor: In den meisten Fällen haben wir es mit einem höchst heterogenen Maschinenpark zu tun, der teils organisch gewachsen ist und verschiedene Hersteller, Maschinengenerationen, Schnittstellen und Protokolle vereint und überdies gespickt ist mit mehreren Sorten von Software. Wer hier mit einer „closed source“-Lösung in den Markt treten will, wird über kurz oder lang an Grenzen stoßen, beispielsweise wenn eine Ankopplung nicht funktioniert, und den Bedarf eines Partner-Netzwerks erkennen. Und genau aus diesem Grund finden bei OI4 die Spezialisten für einzelne Problemstellungen an einem Tisch zusammen und erarbeiten ganzheitliche Lösungskonzepte.

Mut zu neuen Lösungskonzepten

Was die Implementierung der OI4-Architektur angeht, möchte ich hervorheben, dass wir uns stets auf Standards und Best Practices stützen, die wir aus konkreten IIoT-Kundenprojekten kennen. Konzepte wie die Containerisierung von Softwarepaketen, die Harmonisierung der Daten nah an der Maschine sowie die Konfiguration der Software aus der Cloud heraus – all das sind Themen, mit denen OI4-Mitwirkende wie wir von Device Insight als IoT-Anbieter vertraut sind, um die Anforderungen neuer Use Cases bestmöglich zu erfüllen. Um das avisierte offene Ökosystem der OI4 aber tatsächlich mit Leben zu füllen, brauchen wir seitens der Anwender und Betreiber noch mehr Offenheit und Bereitschaft, die Lösungskonzepte der Allianz auszuprobieren. Das wäre mein Wunsch für die Zukunft – frei nach dem Bonmot: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.

Hendrik Nieweg ist Mitautor des technischen OI4-Whitepapers “Enhanced Industry 4.0 Interoperability for Quicker ROI”.

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