Predictive Maintenance mit ML & AI: Wenn Maschinen wissen, wann sie Hilfe brauchen

Der ungeplante Ausfall von Maschinen und Anlagen ist bei Unternehmen gefürchtet. Angesichts präzise geplanter Just-in-Time-Prozesse führen Unterbrechungen oft schon nach kurzer Zeit zu massiven Störungen der Lieferkette – und damit zu hohen Kosten. Ein fünfminütiger Stillstand in der Automobilindustrie kostet rund 100.000 Euro. Um Downtimes zu minimieren, setzt die klassische Wartung auf einen turnusmäßigen Austausch von Teilen, die noch voll funktionsfähig sind. In der Data-Driven Factory wird hingegen vorausschauend gewartet: Mittels intelligenter Datenanalyse sollen Störungen vorhersehbar und damit vermeidbar werden. Aber funktioniert das auch in der Praxis – und wenn ja, wie?

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Predictive Maintenance mit AI: Ingenieure am Laptop in Fabrik

Predictive Maintenance als Baustein der Data-Driven Factory

Viele produzierende Unternehmen arbeiten entweder mit festen Wartungsintervallen oder sie reagieren erst im Schadensfall mit dem Austausch von Komponenten. Das führt zu überflüssigen Serviceeinsätzen oder zu ungeplanten Ausfällen. Predictive Maintenance setzt genau hier an – und nutzt Daten, die zuverlässige Prognosen ermöglichen.

Maschinensensoren liefern kontinuierlich Betriebsdaten wie Temperatur, Vibration, Geräusche oder Druck. Diese werden in Echtzeit analysiert, um Auffälligkeiten und Abweichungen zu erkennen. Die künstliche Intelligenz lernt aus den Daten, um drohende Ausfälle zu prognostizieren. Wartung, so verspricht es die Theorie, kann dadurch präventiv, zielgerichtet und kostenoptimiert erfolgen. 

"Predictive Maintenance ist kein Selbstzweck – sie ist Mittel zum Zweck. Ziel ist ein lernfähiges, intelligentes Produktionssystem, das über reaktive Wartung weit hinausgeht."

Neue KI-Entwicklungen wie das Reinforcement Learning erweitern die Möglichkeiten zusätzlich. Diese Form des Deep Learning ermöglicht eine dynamische Optimierung von Wartungsplänen, indem es aus Maschinenzuständen und deren Abgleich mit historischen Daten das ideale Wartungszeitfenster ermittelt.

Datenintegration als Voraussetzung für ML & AI

Allerdings müssen intelligente Systeme in der Fertigung mehr leisten, als nur auf technische Alarme zu setzen. Moderne Machine-Learning- und KI-Anwendungen weisen daher nicht bloß auf Auffälligkeiten und mögliche Probleme hin, sondern leiten aus der KI-gestützten Analyse auch konkrete Handlungsempfehlungen ab. Sie bewerten Risiken, priorisieren Maßnahmen und helfen bei der Ressourcenplanung. So helfen sie, nicht nur Stillstände zu reduzieren, sondern auch drohende Qualitätsprobleme durch defekte oder verschlissene Bauteile und Ausschuss zu vermeiden.

Damit solche Lösungen ihr volles Potenzial entfalten können, braucht es eine solide technologische Basis. Echtzeitdaten müssen systematisch erfasst und prozessübergreifend verfügbar gemacht werden – nur dann lassen sich daraus verlässliche, verwertbare Erkenntnisse ableiten. Die Voraussetzung dafür ist eine moderne, skalierbare Datenarchitektur, die Daten über System- und Abteilungsgrenzen hinweg integriert. Insellösungen und fragmentierte Datenflüsse verhindern nicht nur Effizienzgewinne, sondern machen den Einsatz von ML-Modellen im schlimmsten Fall unmöglich. Wirklich nutzbare Lösungen für Predictive Maintenance oder auch eine KI-gestützte Qualitätskontrolle, entstehen nur, wenn IT und OT integriert betrachtet werden.

Wie das in der Praxis aussieht – und wie ML-Modelle auf Grundlage von Echtzeitdaten präzise Abweichungen erkennen – zeigen die folgenden Projektbeispiele.

Data-Driven Factory Rosenberger
Image: Rosenberger

Anomalien erkennen, bevor sie teuer werden: Das Beispiel Rosenberger

Beim Spezialisten für Hochfrequenztechnik Rosenberger spielt die Qualitätssicherung eine zentrale Rolle. In der Fertigung werden bis zu 120 Datentypen pro Linie in Echtzeit erfasst und integriert verarbeitet. Ein ML-Modell prüft die Messwerte auf Anomalien und erkennt Muster, die auf mögliche Fehlerquellen hinweisen. Qualitätsmängel, die früher erst in der Endkontrolle auffielen, lassen sich heute direkt im laufenden Betrieb korrigieren. Das Ergebnis: weniger Ausschuss und stabilere Prozesse. Die Lösung fungiert hier als Frühwarnsystem – und bringt die datenbasierte Qualitätssicherung flächendeckend in die Produktion.

OEE durch Echtzeitdaten verbessern: Das Beispiel BRUGG Lifting

Der Experte für Hebetechnik BRUGG Lifting setzt Predictive Maintenance ein, um die Gesamtanlageneffektivität (OEE) gezielt zu steigern. Früher wurden Maschinendaten manuell betrachtet, was Verzögerungen und ungenaue Analysen zur Folge hatte. Heute werden über 50 Datenpunkte pro Maschine in Echtzeit in eine cloudbasierte Datenplattform auf Microsoft Azure übertragen und dort automatisiert ausgewertet.

Berichte, die früher monatlich erstellt wurden, lassen sich nun innerhalb weniger Minuten abrufen. So lassen sich Wartungsbedarfe frühzeitig identifizieren und präzise vorhersagen. Zudem ermöglichen die Echtzeitdaten den Maschinenführern, bei kritischen Parametern sofort einzugreifen und so ungeplante Stillstände zu vermeiden – ein typisches Merkmal datengetriebener Produktionsumgebungen. Das Ergebnis: eine effizientere Steuerung und eine spürbar gesteigerte OEE.

Der Mensch als Erfolgsfaktor: die Bedeutung von Prozesswissen

Ein oft unterschätzter Aspekt bei Predictive Maintenance ist das domänenspezifische Wissen. Denn Daten allein reichen nicht aus; sie müssen im spezifischen Produktionskontext richtig verstanden und interpretiert werden. Hier spielt die enge Einbindung von Fachpersonal eine zentrale Rolle. Maschinenführer und Instandhalter verfügen über wertvolle Erfahrungswerte, die in die Entwicklung von ML-Modellen einfließen sollten. Das gilt besonders in Fällen, bei denen externe Faktoren wie Materialqualität oder Umgebungsbedingungen eine Rolle spielen. Systeme, die in enger Abstimmung mit dem Shopfloor entwickelt wurden, liefern nicht nur bessere Prognosen – auch die Akzeptanz für neue Technologien steigt deutlich, wenn sich die Nutzer aktiv eingebunden fühlen.

"In der Data-Driven Factory ist Predictive Maintenance eng vernetzt mit anderen datenbasierten Anwendungen – von der automatisierten Produktionsplanung, über die KI-gestützte Qualitätskontrolle bis zum Energiemanagement."

Vom Pilotprojekt zur KI-gestützten Produktion

Wer Predictive Maintenance erfolgreich umsetzen will, sollte klein starten – aber mit System wachsen. In der Data-Driven Factory beginnt das oft mit einem konkreten Anwendungsfall, etwa an einer besonders störanfälligen Maschine oder kritischen Linie. Entscheidend dabei ist eine solide Datenbasis: Maschinendaten müssen durchgängig und in Echtzeit erfasst werden – idealerweise über eine Kombination aus Edge- und Cloud-Technologien. Datensilos gilt es konsequent aufzubrechen, Schnittstellen zu schaffen und Prozesse nötigenfalls neu zu denken. Ist der erste Use Case erfolgreich, lässt sich die Lösung auf weitere Anlagen, Linien oder Standorte übertragen. Dabei sollten Unternehmen regelmäßig prüfen, ob die Modelle zur aktuellen bzw. saisonalen Produktionsrealität passen – und die ML-Algorithmen mit frischen Daten weitertrainieren.

Mehr als nur Wartung: Predictive Maintenance im digitalen Ökosystem

Predictive Maintenance ist kein Selbstzweck – sie ist vielmehr ein Mittel zum Zweck. Denn es geht nicht nur darum, Ausfälle zu vermeiden oder die Qualität zu sichern, sondern darum, ein lernfähiges, intelligentes Produktionssystem zu schaffen. In der Data-Driven Factory ist Predictive Maintenance eng verzahnt mit anderen datenbasierten Anwendungen: von der automatisierten Produktionsplanung über KI-gestützte Qualitätskontrolle bis hin zum Energie- und Ressourcendatenmanagement.

Dennoch ersetzt keine KI die menschliche Erfahrung. Sie erweitert aber den Handlungsspielraum der Fachkräfte – mit präzisen Prognosen und neuen, datenbasierten Perspektiven auf Prozesse, Maschinen und Ressourcen.

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