Die Asset Administration Shell – ein Universalwerkzeug für den Datenaustausch in der Industrie

Unternehmen müssen immer mehr Daten über ihre Produkte und Prozesse austauschen. Doch bisher gab es einige Showstopper: Datensilos, inkompatible Schnittstellen und teure Austauschformate. Der neue Standard der Asset Administration Shell (AAS) durchbricht den gordischen Knoten. Und ist sogar kostenfrei.

Die Asset Administration Shell als Universalwerkzeug für Interoperabiliät in der Industrie.

Da haben wir es mal wieder, es geht um Daten. Klar, über Daten zu verfügen, ist gut. Sie möglichst effizient auszutauschen aber ist noch besser – und wird immer wichtiger. Vor allem dann, wenn es um die herstellerunabhängige Verwaltung von Informationen zu Produkten, Prozessen und ganzen Anlagen in der Industrie geht. Nicht zu vergessen: Die Flut an gesetzlichen Vorschriften, die auf die Unternehmen demnächst zukommt, wie der EU Data Act, ESG, Lieferkettengesetz usw. All diese Regularien müssen die Betriebe erfüllen, was zu einer Vielzahl von Datenmanagement-Lösungen auf dem Markt geführt hat. Und genau das ist das Problem. Zu viele verschiedene Angebote implizieren Daten-Schnittstellen, die nicht zusammenpassen, erzeugen Datensilos und setzen die Nutzung teurer, kommerzieller Austauschformate voraus. Doch es gibt einen Ausweg: Die Asset Administration Shell (kurz AAS), die den standardkonformen Datenaustausch ermöglicht.

Die Asset Administration Shell – wie eine Zip-Datei für Interoperabilität

Vereinfacht dargestellt, kann die AAS als Umsetzung der Idee eines Digitalen Zwillings verstanden werden. Denn die zu Deutsch genannte „Verwaltungsschale“ bildet den gesamten Lebenszyklus von Produkten, Geräten, Maschinen und Anlagen virtuell ab. Das wichtigste Nutzenversprechen dabei: eine herstellerübergreifende Interoperabilität, die erstmals die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen erleichtert, die bislang wegen der höchst unterschiedlichen Systeme mit proprietären Formaten nur schwer interagieren konnten.

Die Asset Administration Shell ermöglicht für die Industrie eine herstellerübergreifende Interoperabilität.

Aufgeräumt statt komplex: Bild 1 demonstriert, wie schwierig es ist im Industrial Internet of Things den Überblick zu behalten angesichts heterogener IT-/OT-Datensätze, Kommunikationsprotokolle etc. Bild 2 illustriert die Lösung mit einem Digitalen Zwilling. (Quelle: Open Industry 4.0 Alliance)

Und das funktioniert so: Jedes von einem Unternehmen produzierte oder verarbeitete Produkt(bauteil) erhält eine AAS-Datei, die sämtliche Informationen in einem standardisierten Format zusammenfasst. Man kann es sich wie eine spezielle Zip-Datei mit allen relevanten Details vorstellen. Jeder, der dieses Produkt verwendet, kann auf die Daten zugreifen, ohne eine eigene Schnittstelle erstellen zu müssen.

Technisch betrachtet, fördert die AAS die Interoperabilität, indem sie klare Standards für Datenmodelle und Schnittstellen bereitstellt. Verschiedene Assets können miteinander kommunizieren und Daten austauschen – unabhängig von ihrer physischen oder virtuellen Natur. Die Interaktion erfolgt über standardisierte Protokolle, die eine nahtlose Integration in Industrie-4.0-Systeme ermöglichen. Und das Beste daran: Die Software zur Verarbeitung des AAS-Formats liegt Open Source vor und ist damit kostenlos verfügbar.

Was passiert mit Daten in der Asset Administration Shell?

Daten werden in der Asset Administration Shell in Submodellen strukturiert angelegt. Die Submodelle enthalten die jeweils spezifischen Eigenschaften eines Assets bzw. eines Asset-Teils. Zum Beispiel kann ein Submodell die elektrischen Eigenschaften einer Maschine darstellen, während ein anderes die mechanischen Eigenschaften beschreibt. Für jeden Anwendungsbereich sind Submodelle definiert, so dass sich ein Hersteller die passenden Module für sein Produkt aussuchen kann. Sollte es kein geeignetes Modell geben, sieht der Standard auch die Erstellung eigener Submodelle vor. Außerdem kann ein Asset in mehreren AASs erfasst sein, wie das aktuelle OI4-Papier über die „Typischen Missverständnisse zur Asset Administration Shell“ erläutert.

Jedes produzierte oder verarbeitete Produktteil erhält eine AAS-Datei mit allen Informationen.
Die Daten innerhalb der Asset Administration Shell werden in Submodellen angeordnet. Diese Submodelle repräsentieren jeweils spezifische Attribute eines Assets.

Um ein ganz aktuelles Beispiel zu bringen: Auch der CO2-Verbrauch, der bei der Herstellung eines Produkts anfällt, kann in der AAS als Submodell abgespeichert werden und ist so für jeden einsehbar, der das Produkt weiterbearbeitet oder verwendet. Kurzum: Submodelle ermöglichen eine strukturierte und modulare Darstellung von Asset-Informationen. Damit können Informationen auf standardisierte Weise verarbeitet, gesucht, modelliert, abgefragt und weitergegeben werden.

Typische Anwendungen der Asset Administration Shell

Die Asset Administration Shell entfaltet ihre Stärke insbesondere beim Einsatz in der industriellen Produktion. Zu den häufigsten Anwendungen gehören:

  • Predictive Maintenance: Durch die Vorhersage des Wartungsbedarfs, basierend auf Zustandsdaten, können Unternehmen Wartungsarbeiten präziser planen und ungeplante Ausfallzeiten minimieren.
  • Qualitätsmanagement: Die Überwachung und Verbesserung von Produktionsprozessen wird durch AAS erleichtert, was zu einer kontinuierlichen Optimierung der Produktqualität führt.
  • Supply Chain Management: AAS ermöglicht eine effiziente Steuerung und Koordination von Lieferketten, beispielsweise auch durch die erleichterte und transparente Zusammenarbeit zwischen Zulieferer und Hersteller, was zu einer verbesserten Lieferketteneffizienz führt.
  • Produktionsoptimierung: Die Verbesserung von Produktionsprozessen, basierend auf Echtzeitdaten, wird durch AAS unterstützt, wodurch Unternehmen flexibler auf sich ändernde Anforderungen reagieren können.

Und so sehen Asset Administration Shells in der Realität aus. Bild 1: Eine Übersicht mit Demo-Beispielen verschiedener Hersteller. Bild 2: Beim Zoom-In klappen sich alle hinterlegten Informationen zu einem Bauteil auf, wie z.B. zur Servo-Motor-Komponente von Festo.

Von Effizienzsteigerung bis Kostenoptimierung – die Vorteile der Asset Administration Shell

Die Vorteile der Asset Administration Shell erstrecken sich über die bloße Standardisierung und Interoperabilität hinaus. Sie manifestieren sich in verschiedenen Schlüsselbereichen der industriellen Prozessoptimierung:

  • Effizienzsteigerung: Die AAS ermöglicht eine präzisere Überwachung und Steuerung von Produktionsprozessen. Durch die umfassende Verfügbarkeit von standardisierten Daten können Unternehmen ihre Abläufe optimieren und somit eine deutliche Steigerung der der Gesamteffizienz erreichen.
  • Interoperabilität: Die Asset Administration Shell fördert eine nahtlose Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Assets und Systemen, unabhängig von deren Hersteller oder Typ. Dieser Aspekt der Interoperabilität trägt dazu bei, Silostrukturen aufzubrechen und eine integrierte, effiziente Nutzung von Ressourcen zu ermöglichen.
  • Lebenszyklusmanagement: Die umfassende Darstellung des Asset-Lebenszyklus durch die AAS ermöglicht es Unternehmen, fundierte Entscheidungen über den gesamten Lebenszyklus ihrer Anlagen zu treffen. Dies reicht von der Konzeption und Produktion bis zur Wartung und letztendlich zur Entsorgung. So lassen sich Ressourcen optimal nutzen und nachhaltige Entscheidungen treffen.
  • Kosten: Der große Pluspunkt ist, dass die Asset Administration Shell kostenlos zugängig ist. Dies macht sie im Gegensatz zu hochpreisigen kommerziellen Austauschformaten nochmal attraktiver.

Die wichtigste Frage ist natürlich: Wie praxistauglich ist die Asset Administration Shell? In unseren Projekten verproben wir das Konzept sowohl im Hinblick auf Assets und Geräteflotten in Produktionsumgebungen als auch mit einem spezifischen Fokus auf den Energieverbrauch und CO2-Ausstoß pro Werkstück.

Suchen auch Sie nach einem Weg für eine effizientere, standardisierte Datenkommunikation für Ihre Produkte und Prozesse? Gerne unterstützen wir Sie beim Praxischeck und bauen gemeinsam mit Ihnen passende Asset Administration Shells für Ihre Geräte, Maschinen und Anlagen. Sprechen Sie uns an.

Für Sie empfohlen
Image
2023/10/13
News

Von M2M zu IoT & AI: 20 Jahre Digitalisierung in der Industrie

Von M2M-Kommunikation zu IoT- und AI-gestützten Systemen in der Industrie. Ein Rückblick.
Image
2021/06/29
Podcast

So geht smartes Shopfloor-Management: Device Insight und RAFI im Podcast

Im Podcast präsentieren Device Insight und RAFI die gemeinsam entwickelte IoT-Lösung KIS.ME.
Image
2021/03/08
Case Studies

In 12 Monaten zum eigenen digitalen Geschäftsmodell

Wie man in 12 Monaten ein IIoT-basiertes Geschäftsmodell umsetzt, zeigt das Beispiel von RAFI.